Mit Sven Hedin durch Asiens Wüsten (D 1929, R: Rudolf Bierbrach, Paul Lieberenz, 76′)
Der Kameramann Paul Lieberenz begleitet 1927/28 den schwedischen Forscher Sven Hedin auf einer Expedition durch Innerasien von Peking nach Urumtschi. Die Lufthansa plante eine direkte Fluglinie Berlin-Peking; meteorologische Beobachtungen mussten gemacht werden, Wetterstationen aufgebaut und das Gelände auf geeignete Flugplätze untersucht werden. Im Mittelpunkt des Filmberichts stehen aber weniger die Forschungen der insgesamt 27 Wissenschaftler als vielmehr die mit ‚faustischem Drang‘ (Siegfried Kracauer, 1929) durch Stein- und Sandwüsten vorwärtsziehende Karawane, die aus nicht weniger als 300 Kamelen und zahlreichen Helfern bestand. Höhepunkt des Films ist ein dramatischer Sandsturm.
„Am 23. Juli 1927 trat die Expedition vom Sammellager Hutjertu-gol den Vormarsch an, am 28. Februar 1928 erreichte sie Urumtschi, das Ziel der ersten Etappe dieser auf 3 Jahren berechneten Forschungsreise. Dazwischen liegen über 2.500 km Weg, 7 Monate stärkster Strapazen und fast unüberwindlicher Hindernisse und Mühsalen, Erlebnisse voll dramatischer Spannung, ebenso wie Episoden voll köstlicher Idylle. […] Alle Zwischenfälle dieser ereignisreichen Expedition berichtet das unbetrügliche Objektiv der Kamera der Photographen und läßt den Zuschauer zum miterlebenden Teilnehmer der Expedition werden.“ (Illustrierter Film-Kurier, Nr. 1071/1929)
„Dieser Expeditionsfilm mit Sven Hedin durch die Wüsten bedeutet mehr als eine Schau schöner Bilder. In der Wiedergabe des dokumentarischen Vorgangs ist er von der Spannung erfüllt, die nur Tatsachen geben können.“ (Lotte H. Eisner, Film-Kurier, Nr. 124, 25.5.1929)
„Die Leistung des Kameramannes bei einer solchen Expedition ist eine gänzlich andere, als die Kameraarbeit im Atelier, und vermutlich wohl die größere. Sie hängt ungleich mehr von unberechenbaren Umständen ab. (Fast unbegreiflich z.B., wie die Kamera Paul Lieberenz‘ den viertägigen wilden Orkan in der Wüste. der Zelte, Geräte und Menschen umblies, so vollkommen im Bilde festhalten konnte!)“ (LichtBildBühne, Nr. 124, 25.5.1929)
„Lieberenz „filmt auch hier die Umwelt, ohne sich selbst oder die anderen Expeditionsmitglieder in den Vordergrund zu rücken. Aber er verschweigt nicht, welche Gefahren am Wege lauerten – Hunger, Kälte, Finsternis, Wasserlosigkeit. Wir haben jedenfalls hier einen der eigenartigsten Filme vor uns, die in letzter Zeit über die Leinwand flimmerten.“ (Kinematograph, Nr. 120, 27.5.1929)
„Dieser prachtvolle Expeditionsfilm wirkt philosophisch; er schlägt eine ganz andere Tonart an als die Afrikafilme, die aus dem Vollen schöpfen. […] Herrliche, phantastische Aufnahmen sind unterwegs gemacht worden – nach Filmkilometern von Sand, Sand, Kamelen, Durst, Not und wiederum Sand – von einem religiösen Fest in einem mongolischen Kloster, das schon in der äußeren Erscheinung wie ein Traum über der Wüste aussah. Masken sieht man da, wie sie die dekadentesten Künstler nicht erfinden, und das ganze Volk tanzt und ist nur noch ein einziger Rhythmus um seine Gottheit. Und die Ringkämpfer, die vor der Prinzessin umherhopsen, wirken grotesk wie Ochsenfrösche. Vielleicht war diese eine Aufnahme von Menschen, die man nie zu sehen bekommt, alle Mühsale des Forschers und seiner Leute wert. Jedenfalls muß man sich diesen unerhörten und – echten Film ansehen (der nicht der Zweck dieser Expedition ist); er ist dramatischer als viele Dramen.“ (N.N.: Ein dramatischer Expeditionsfilm. Undatierter Zeitungsausschnitt, 26.5.1929)
Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv
Einführung: Jeanpaul Goergen (CineGraph Babelsberg)
30. Mai 2011, 19.00 Uhr, Arsenal 2