Mit einer Produktion von rund 70 Filmen und einer Existenzzeit von 37 Jahren gehörte des Amateurfilmstudio PENTACON Dresden zu den großen Akteuren einer wichtigen Sparte der organisierten Freizeitkultur in der DDR. Rund 40 Filme hat das Deutsche Institut für Animationsfilm mit Hilfe ehemaliger Studiomitglieder in den letzten Jahren gerettet und teilweise digitalisiert. So kommen kulturhistorisch wertvolle Dokumente nun auf die Leinwand zurück.
Charakteristisch für das Oeuvre solcher in den Betrieben ansässigen und von ihnen unterstützten Amateurfilmstudios ist das Vorhandensein zweier Werkgruppen mit den Komplexen Stadt und Betrieb, hier Dresden und das PENTACON-Werk. Die nahen Blicke auf das Umfeld waren in der Regel nicht frei von Ideologie, zeigten aber meist Anderes als die offizielle DEFA- und DDR-Fernsehproduktion oder stellten das Bekannte unter einen anderen Fokus. Für die Dresdner Amateurfilmer kommt hinzu, dass ihre berufliche Tätigkeit im DDR-Leitbetrieb der Foto- und Filmtechnik mit ihrem Hobby inhaltlich zusammenfiel, was den PENTACON-Filmen nicht selten ein professionelles Antlitz verlieh.
An Filmen über die Elbestadt ragt einerseits der farbige Kurzspielfilm „Mit Kelle und Palette“ (1959) heraus, der vom innerdeutschen Austausch vor dem Mauerbau und vom Glauben an das „Neue Deutschland“ geprägt ist. Er schildert die Liebe einer jungen Düsseldorfer Kunststudentin zu einem Dresdner Bauarbeiter – beide entscheiden sich schließlich für ein Leben in der DDR. Auch die umfangreichste Produktion des PENTACON-Studios ist der Elbestadt gewidmet. Im „Dresdner Bilderbogen“ (1973) wird die Form des alphabetischen Kaleidoskops und der satirischen Reportage gewählt, um pro Buchstabe eine städtische Attraktion ins Bild zu setzen. Den Amateurfilmern gelangen dabei geschichtlich wertvolle Aufnahmen, etwa die letzten vom berühmten Dirigenten des Kreuzchores Rudolf Mauersberger, oder von „Matz Griebel“ beim Auftritt im Kabarett „Herkuleskeule“.
Bei den Filmen über das Zeiss Ikon- bzw. PENTACON-Werk erstaunt zunächst das Spektrum und die Professionalität der Arbeiten. Neben offiziellen Festen und Feiern wurden Modernisierungen der Produktion genauso festgehalten wie einzelne Erzeugnisse und Abteilungen sowie Messepräsentationen. Kurzfilme mit bekannten Schauspielern (Otto Stark) und Sportlern (Helmut Recknagel) priesen die Spitzenerzeugnisse „Penti“, „Pentina“ und „Pentaflex“. Allen Filmen eigen ist das hohe Selbstbewusstsein der Kamerabauer, einem Hochtechnologieunternehmen anzugehören. Dies zeigt sich u.a. in dem vom Werksensemble gesungenen „Pentacon-Lied“, das auf Film aufgezeichnet in die aufwendige Bühnenrevue „Geblitzt – entwickelt – projiziert“ (1965) eingeschnitten wurde. „Zwei Kapitel aus: Der Mensch und seine Arbeit“ (1972) setzt indes dem Entwicklungsingenieur Rudolf Kunte ein Denkmal und wird von der (letztlich illusorischen) Idee getragen, Rationalisierungen seien aus eigener Kraft (und ohne „westliches“ Know-how) umzusetzen. Ihren Höhe- und Abschlusspunkt fand die Bindung der Amateurfilmer an ihr Werk im Jahre 1989: Mit „Vom Holzkasten zur Spiegelreflex“ entstand ein aufwendiger historischer Rückblick auf „150 Jahre Kameras aus Dresden“.
Einführung: Ralf Forster
Am 17.12.2012, 19 Uhr, Kino Arsenal, Potsdamer Platz
Programm:
„Auf neuen Wegen“, 1959/60, sw, stumm, 7’, Amateurfilmstudio des VEB Kamera- und Kinowerke Dresden, Regie Peter Hartig, Herbert Illgen besucht den Messeauftritt vom VEB Zeiss Ikon auf der Leipziger Messe 1959/60, Blicke zur Konkurrenz, eingestreut sind Bilder von den verschiedenen (im Zuge der Zentralisierung zusammengefassten) Werke, der Fertigung und den Erzeugnissen.
„Mit Kelle und Palette“, 1959, Farbe, Ton, 16’, Amateurfilmstudio des VEB Kamera- und Kinowerke Dresden, Regie Rudolf Jakob, mit Dore Lebzien und Joachim Strauß: Ost-West-Liebesgeschichte eines Dresdner Maurers und einer jungen Düsseldorferin, die in Dresden Malerei studiert. Sie entscheidet sich für das „Neue Deutschland“ und beide leben fortan zusammen in Dresden.
„Pentina“, 1962, Farbe, Ton, 3’, Amateurfilmstudio des VEB Kamera- und Kinowerke Dresden, Werbefilm für die Pentina-Fotokamera mit Otto Stark, gedreht im Centrum-Warenhaus Dresden und im Industrieladen Ilafot Dresden Altmarkt.
„Geblitzt – entwickelt – projiziert“, 1965, sw + Farbe, Ton, Auszüge ca. 4’30’’, Amateurfilmstudio VEB Kombinat Pentacon, zwei betriebsbezogene Filmteile, die in eine Bühnenrevue des Pentacon-Ensembles eingeblendet wurden, Aufführung der Revue im Hygiene-Museum und zur Leipziger Messe (Haus der heiteren Muse), Auszüge:
1. Episode: ca. 3’: Aufnahmen aus der Fotokamerafabrikation, dazu singt das Birner-Trio in der Fließbandmontagehalle für die Praktica-Kameras das Pentacon-Lied;
3. Episode; ca. 1’30’’: Chor des Betriebsensembles – in großer Besetzung – singt das Pentacon-Lied.
„Dresdner Bilderbogen. Ein illustriertes Alphabet – aus unserer Sicht“, 1969-1973, sw, Ton, 42’30’’, Amateurfilmstudio Kombinat VEB Pentacon, Regie Dieter Weigend: wichtigster Film des Studios, zugleich Jubiläumsfilm zum 20jährigen Bestehen, pro Buchstabe wird auf humoristisch-satirische Art ein Dresdner Charakteristikum vorgestellt, von A …aller Anfang ist schwer: mit Schulanfang, Trümmerfrauen und Bauarbeiten im Dresdner Zentrum bis Z… zu guter Letzt: Zwingerball, großer Tanz mit den „Vier Brummers“; Höhepunkte: die letzten Filmaufnahmen von Rudolf Mauersberger mit seinem Kreuzchor, ein Auftritt von „Matz“ Griebel in der Herkuleskeule, die Verleihung des Doktor-Hutes an Gerhard Jehmlich und eine „Bettszene“ mit Renate Blume und Justus Fritzsche im Staatsschauspiel.
Premiere: 31. Mai 1973, Filmtheater Prager Straße (Rundkino), kleiner Saal.
„Zwei Kapitel aus: Der Mensch und seine Arbeit“, 1972, sw, Ton, 13’, Amateurfilmstudio VEB Kombinat Pentacon, Regie Herbert Illgen, Dieter Weigend: Vergangenheit und Gegenwart des Arbeitsplatzes von Rosa Galle im Pentacon-Werk, hier die gesundheitsschädigende alte Teile-Wäsche und dort der im Betrieb entwickelte „Automat“, der seit Sommer 1970 eingesetzt wird und „optimale Arbeitssicherheit“ gewährleistet.
„Vom Holzkasten zur Spiegelreflex. 150 Jahre Kameras aus Dresden“, 1989, Farbe, Ton, 21’30’’, Amateurfilmstudio Pentacon VEB Kino- und Kamerawerk Dresden im Kombinat VEB Carl Zeiss Jena: Dokumentarfilm über die ersten Kamerabauer in Dresden, mit Friedrich Wilhelm Enzmann, Hermann Krone etc. (Spielszenen), Weg des Industriezweiges bis in die Gegenwart – Einsatz von Robotertechnik bei der Fertigung der Praktica BX 20.
Programmlänge: ca. 110’
Alle Filme: DVD bzw. DigiBeta
DIAF – Deutsches Institut für Animationsfilm Dresden