05.01.2007, im Zeughauskino.
Mit der Rolle des Motes in diesem frühen DEFA-Film debütierte Erwin Geschonneck bei der DEFA, der Filmgesellschaft der DDR. Da war er frisch ans Berliner Ensemble engagiert worden und spielte wichtige Rollen in den Stücken Brechts. Sein Berliner „Einstand“ war der Matti in Herr Puntila und sein Knecht Matti. Brecht inszenierte dieses Stück zusammen mit Erich Engel. So lernte Engel Geschonneck kennen, dessen komische Fähigkeiten er sogleich erfasste und für seinen Film einsetzte. Engel stärkte die sozialkritischen Züge, die Gerhart Hauptmann in seiner Komödie um die kleine Diebin Mutter Wolffen angelegt hatte, und füllte somit auch die komischen Potenzen der anderen Rollen auf. Geschonnecks Motes erweist sich als eine zugleich komische und komödiantische Miniatur, in der alles angelegt ist, was der Schauspieler in seinen großen komischen Rollen später in Film und Fernsehen ausspielen konnte (etwa in Karbid und Sauerampfer, 1963 oder in Ein Lord vom Alexanderplatz, 1967): Lakonie des Ausdrucks, plebejische Subversivität, Genauigkeit der Pointierung, Charme des Ungehobelt-Groben. Und dazu allemal amüsante Färbungen des Berlinischen in Artikulation und Gestik sowie ein sicheres Spielen mit Maske und Kostüm. Es scheint, als ob Geschonneck – beginnend beim Motes – mit allen seinen nachfolgenden komischen Rollen sein schweres Lebensschicksal „davor“ beiseite schieben und verdecken, jedenfalls auf besondere Weise „verarbeiten“ wollte: ab 1933 Exil in Polen, der ČSR und der Sowjetunion, Ausweisung, 6 Jahre KZ-Haft in Sachsenhausen, Dachau und Neuengamme, das Rettungsschwimmen vom bombardierten, sinkenden KZ-Schiff „Cap Arcona“ in der Lübecker Bucht. Nach diesen zwölf Jahren wollte und konnte er „alles“ nachholen, also auch Komik im Gewand fabulierter Figuren. Geschonneck sei ein „Realist in der Menschenbeobachtung und Gestaltung“, ein „Arbeiter und ein großer Schauspieler“, ein „Kulissenmensch und Realist, Komödiant und Wahrheitssucher“, befand 1952 der Theaterkritiker Herbert Jhring in einer Besprechung des Berliner Ensembles. Dies galt für den Motes in Engels DEFA-Film, und dies galt für alles, was Geschonneck danach noch spielte.
Vorfilm: Der Augenzeuge 43/1949
Einführung: Günter Agde