03.11.2006, im Zeughauskino.
Keiner anderer Regisseur und Produzent des Weimarer Kinos war so umtriebig und fleißig wie Richard Oswald. Sein legendärer Ruf basierte auch darauf, dass er in seinen Filmen heiklen, gesellschaftlich und politisch umstrittenen Themen nicht aus dem Weg ging. Im Gegenteil, der liberal eingestellte Oswald griff solche Themen gezielt auf, darunter den Homosexuellen-Paragraphen (Anders als die Andern, 1919), die Gefahr rechtsradikaler Verschwörungen (Feme, 1927) und den Antisemitismus (Dreyfus, 1930). In 1914. Die letzten Tage vor dem Weltbrand beschäftigte sich Oswald mit dem Thema, das in der Öffentlichkeit der Weimarer Republik für die größten Emotionen sorgte: dem verlorenen Weltkrieg, der Frage nach der Kriegsschuld und der Revision des Versailler Vertrages. In der Form einer historischen Reportage beleuchtet Oswald die Hintergründe des Kriegsausbruchs auf der Ebene der Kabinette und diplomatischen Beziehungen und setzt ein Schauspielerensemble an die Stelle des Einzelhelden. Die mosaikartig angeordneten Szenen des Films richten den Blick auf die psychologische Dynamik, die das Handeln der Akteure in Berlin, Moskau, Paris und London im Juli 1914 bestimmt.
Einführung: Philipp Stiasny