01.10.2004, im Zeughauskino.
Die Produktion abweichender Fassungen für ausländische Filmmärkte stellte nach dem Ersten Weltkrieg eine gängige Praxis dar. Dies gilt auch für den 1926 entstandenen Film Die versunkene Flotte, der von der Kieler Woche 1914 über die Schlacht am Skagerrak 1916 bis zur Selbstversenkung eines kaiserlichen U-Bootes 1919 Marinegeschichte rund um den Ersten Weltkrieg als Rahmen für melodramatische Liebesaffären, Freundschaft und Rivalität im deutsch-englischen Marinemilieu einsetzt. Da die ursprüngliche deutsche Fassung weiterhin als verschollen gilt, zeigt das Zeughaus eine Fassung für den britischen Filmmarkt, die gezielte Änderungen aufweist. So wurde aus einer deutschen Offiziersfrau (Agnes Esterhazy), der ein englischer Seeoffizier verfällt, eine geborene Engländerin, die zudem am Ende seinem Werben nachgibt. Dies hatte man dem deutschen Publikum so kurz nach dem Krieg nicht zumuten wollen. In der deutschen Fassung hatte sie sich noch Bedenkzeit ausgebeten.
Regisseur Manfred Noa legt den Schwerpunkt deutlich auf die melodramatische Handlungsebene, doch werden auch hier alle Aspekte der kriegerischen Rahmenhandlung in personalisierter Form abgehandelt. Im Gegensatz zum ungleich erfolgreicheren, nur eine Woche später uraufgeführten maritimen Heldenepos Unsere Emden findet sich bei Noa neben ausgefeilter Schauspielführung eine eher zurückhaltende Heroisierung der deutschen Flotte, wozu auch die anfängliche Betonung deutscher Versöhnungsabsichten gegenüber England gehört. Dahinter stand jedoch weniger politisches als geschäftliches Kalkül: mit dem je nach Geschmack „militaristischen Pazifistenfilm oder pazifistischen Militärfilm“ (Film-Kurier) sollte in Deutschland linkes wie auch nationalistisches Publikum angesprochen werden – ein für das polarisierende Weimarer Kino ungewöhnlicher Versuch. Der Film vervollständigt nicht nur unsere Kenntnis eines wenig bekannten Regisseurs der zwanziger Jahre, er zeigt darüber hinaus zwei Star-Schauspieler des deutschen Films am Anfang ihrer Karrieren: Heinrich George als grobschlächtig-pflichtgetreuer Bootsmaat und Hans Albers als revolutionär angehauchter Heizer sind hier nicht nur politische Gegner, sondern auch Rivalen um die Gunst einer Kieler Wirtsfrau (Käthe Haack) – wen Opfertod und wen Liebesglück erwartet, entscheidet nach nationalistischer Konvention die „richtige“ Gesinnung.
Einführung: Jan Kindler – mit Klavierbegleitung.