Diese Zusammenstellung versucht, die teilweise recht lange und kaum noch zu überblickende Restaurierungsgeschichte der wichtigsten deutschen Filme so weit wie möglich nachzuzeichnen, entsprechende Informationen und Aufführungstermine nach- und auf Restaurierungsberichte hinzuweisen.
Pionierarbeit bei der Restaurierung der deutschen Filmklassiker hat das Münchner Filmmuseum unter Enno Patalas geleistet. Die meisten der „Münchner Fassungen“ waren Arbeits- und Vorführkopien für den Einsatz im Filmmuseum, die jeweils mehrere Etappen durchliefen und daher nachträglich nicht als eigenständige „Fassung“ bewertet werden können. Dennoch werden wir auch hier die wichtigsten Arbeitsschritte darstellen und zeitliche Markierungen anbieten. Über die zahlreichen Restaurierungen von Enno Patalas unterrichtet die im letzten Jahr von der Hochschule der Künste in Berlin herausgegebene Festschrift „Doppelleben. Frieda Grafe und Enno Patalas“ [vgl. FILMBLATT 14, S.70].
Mit der Farbrestaurierung von DAS CABINET DES DR. CALIGARI durch das Bundesarchiv-Filmarchiv 1983/84 wurde die Aufmerksamkeit nicht nur der Filmwissenschaftler wieder auf die ursprüngliche Farbigkeit vor allem der Filmklassiker gelenkt. Seit Mitte der achtziger Jahren nutzen die großen Filmarchive die Restaurierungen bedeutender Filme auch als Aushängeschild ihrer Leitungsfähigkeit. Derzeit liegen wohl die meisten deutschen Filmklassiker in restaurierten Fassungen vor, so dass sich eine Art Bestandsaufnahme geradezu anbietet.
Ergänzend zu dieser Übersicht werden wir aktuelle VHS- bzw. DVD-Editionen vorstellen und besprechen, wobei wir besonders darauf achten, auf welchen Fassungen sie beruhen und in welcher Qualität sie kopiert wurden. Natürlich können wir nicht alle Veröffentlichungen rezensieren und werden uns auf die jeweils letzten beschränken. Punktuell wird aber auch auf vergriffene Editionen, die in öffentlichen Büchereien oder Film-Bibliotheken benutzbar sind, hinzuweisen sein. VHS- und DVD-Veröffentlichungen werden offenbar von keinem Filmarchiv systematisch gesammelt, erfasst und bewertet.
Leider ist derzeit kaum ein deutscher Film-Klassiker in der jeweils letzten Restaurierung auf VHS oder DVD erhältlich. Die meisten Editionen, insbesondere die aus den Vereinigten Staaten, beruhen auf älteren und zum Teil fragwürdigen Kopien und Bearbeitungen. Es ist jammerschade, dass viele Filmstudenten die Meisterwerke der deutschen Filmgeschichte in der Regel nur in diesen unzureichenden Fassungen kennen lernen und man kann es nicht genug bedauern, dass es hierzulande nur ganz wenige, dem letzten Stand der Restaurierung entsprechende und fachkundig kommentierte VHS bzw. DVDs gibt. Von M und DAS CABINET DES DR. CALIGARI zum Beispiel sind derzeit nur unzulängliche, weil hinter den letzten Stand der Restaurierungsarbeiten zurückfallende, amerikanische und englische Editionen verfügbar.
Lang, Murnau und Ruttmann sind in Deutschland nicht ediert, dafür aber Riefenstahl und Rühmann. Woran liegt das? An den Rechteinhabern? An den Video- und DVD-Anbietern? An den Archiven und Filmmuseen? Immerhin: Transit Classics hat unlängst einen NOSFERATU auf VHS und DVD angekündigt (das BFI übrigens auch), BMG den BLAUEN ENGEL auf DVD und die bei den letzten Berliner Filmfestspielen vorgestellte aufwändige digitale Restaurierung von METROPOLIS soll, wie zu hören ist, ebenfalls auf DVD erscheinen. Sind dies erste Anzeichen eines Umdenkens?
Wir orientieren uns bei dieser Übersicht an den „Top 100“-Filmen, wie sie auf der CD-ROM „Die deutschen Filme: Deutsche Filmografie 1895-1998 und Die Top 100“ des Kinemathekenverbunds aufgeführt sind. Diese CD-ROM enthält nicht nur die vollständigen Credits sowie Informationen zum Verleih und zu den Rechteinhabern, sondern auch Informationen zur Kopienlage. Die „Top 100“ wurden, wie es auf der CD-ROM heißt, „archivarisch gesichert und in mindestens einer guten Kopie verfügbar gemacht.“ In welchem Archiv diese gute Kopie liegt, ist aber leider nicht angegeben.
Wir hoffen, mit dieser Zusammenstellung die filmwissenschaftlichen Hilfsmittel VHS und DVD in ein korrektes Verhältnis zu den überlieferten Filmkopien und ihren Restaurierungsetappen zu stellen und so die kritische Rezeption dieser Editionen zu fördern. Besten Dank an Robert Fischer, Martin Koerber, Enno Patalas und Helmut Regel – ohne ihre Hilfe und Mitarbeit wäre diese Zusammenstellung so nicht möglich gewesen.
(Jeanpaul Goergen)
M (1931, R: Fritz Lang)
1.1983: Filmmuseum München: Enno Patalas.
Kurzbericht: Kopien von Gosfilmofond, Staatliches Filmarchiv der DDR und Cinémathèque Suisse, Zensurkarte. Aus Positivmaterial montiert; kein Negativ. Work in Progress seit 1977.
Format: 35mm, 1:1,19, 2.963 m (= 108‘).
Literatur: Das Schlussbild von Fritz Langs M, In: Süddeutsche Zeitung, 13.4.1977. – Miriam Gebhardt: Das Geheimnis der verlorenen 19 Minuten. Im Filmmuseum wird Fritz Langs Film M rekonstruiert. In: Süddeutsche Zeitung, 21.6.1991. – Enno Patalas: Zum Fall M. Eine Stellungnahme. In: Filmgeschichte, Berlin, H. 7/8, Juni 1996, S.40f.
TV-Erstsendung: 29.11.1986, ZDF (94‘44“). „Das ZDF kann für diese Ausstrahlung erstmals eine längere Fassung des berühmten Fritz-Lang-Klassikers vorstellen. Besonders die Schluss-Sequenz des Films, die Gerichtsverhandlung, und das Gespräch der Frauen auf der Parkbank, sind nun ausführlicher und in sich geschlossener.“ (Spiel im ZDF, 11/1986)
2.1983: Staatliches Filmarchiv der DDR nach der Münchner Arbeitskopie 1.1983.
3.1995: Tonrestaurierung durch Donat Keusch, mit Unterstützung des Europarates und der Taurus-Film.
Kopierwerk: GLS-Tonstudio, Haar bei München.
Format: 35mm, 108‘.
Restaurierungsbericht: Einleitung von Donat Keusch zur Vorführung der tonrestaurierten, langen Fassung (108 Minuten) von Fritz Langs M (Typoskript [Berlin 1996], 6 Seiten). – Donat Keusch: Zur Tonrestaurierung von M. In: Filmgeschichte, Berlin, H. 7/8, Juni 1996, S.38f.
Erstaufführung: 25.2.1996, Berlin (Astor; Retrospektive der 46. Internationalen Filmfestspiele).
4.2001: Nederlands Filmmuseum, in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv, der Cinémathèque Suisse, KirchMedia und ZDF/ARTE mit Unterstützung der Mondriaan Stichting: Martin Koerber. Grundlage der Restaurierung waren Vorschläge von Enno Patalas (in: Filmgeschichte, H. 7/8, Juni 1996).
Kopierwerk: L‘Immagine Ritrovata.
Format: 35mm, 1:1.19, 3024 m.
Restaurierungsbericht: Noch nicht erschienen. – Fritz Lang. Filmblätter. Filmografie. Bibliografie. (= FilmHeft 6). Berlin: Filmmuseum Berlin–Deutsche Kinemathek, Internationale Filmfestspiele Berlin 2001, S.37 (Kurzfassung).
Literatur: ARTE: Hommage an Fritz Lang. In: FILMBLATT 15, Winter/Frühling 2001, S.68f.
Erstaufführung: 18.2.2001, Berlin (CinemaxX am Potsdamer Platz; Retrospektive der 51. Internationalen Filmfestspiele).
TV-Erstsendung: 19.2.2001, ARTE.
Fritz Lang. M. EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER. Duisburg: atlas film 1993 (Klassiker Edition, Nr. 1139). VHS, 98‘ (Nicht mehr im Handel).
Es handelt sich hier um eine Abtastung der um etwa 10 Minuten gekürzten Fassung, die in den sechziger Jahren erneut ins Kino kam. Den gekürzten Szenen stehen andererseits zahlreiche Hinzufügungen auf der Tonebene gegenüber (Musik, Atmosphären und Geräusche, Off-Kommentar am Ende), die das ursprüngliche, auf den Wechsel von stummen und sonorisierten Szenen gegründete Tonkonzept von Fritz Lang gründlich durchkreuzen. Die Bildqualität ist durch einkopierte Schrammen und andere Beschädigungen stark beeinträchtigt, die Kassette weist ein stark beschnittenes Bild auf: sie ist nicht im richtigen Format 1:1,19 sondern 1:1,37 abgetastet. Irgendwelche Angaben zum Material fehlen auf dem Cover, abgesehen von einem Reklametext und minimalen Stabangaben. Die Laufzeit wird mit 98‘ angegeben, beträgt tatsächlich aber 94‘. (Martin Koerber)
M – EINE STADT SUCHT EINEN MÖRDER. / M VON FRITZ LANG – EINE FILMANALYSE. Duisburg: atlas forum (VHS 42 01235), 2 VHS, o. J. [nach 1992] (Nicht mehr im Handel)
Doppeledition. Auf der einen VHS befindet sich M von Fritz Lang (©Copyright by atlas film 1992), Länge: 94‘ laut Cover. Es handelt sich um die Fassung der atlas Klassiker Edition (Nr. 1139). Die zweite VHS bringt den von Jean Douchet, Makiko Suzuki und R. R. Jaganathen für die Cinémathèque Française realisierten, von Frieda Grafe und Enno Patalas 1989 für die FWU bearbeiteten Videofilm „M“ VON FRITZ LANG. EINE FILMANALYSE. (Jeanpaul Goergen)
Fritz Lang. M. London: BFI Films BFIV 024. – VHS, Black & white, 101 minutes, German language with English subtitles. (Release date: 1998)
„Released here in its fully restored original version, Fritz Lang‘s chilling classic M is based on the true-live manhunt for Düsseldorf serial killer Peter Kürten.“ (Cover)
Deutsche Fassung mit englischen Untertiteln. Es handelt sich um die von Donat Keusch erarbeitete, 108 Minuten lange Fassung [3.1995], die hier tatsächlich aber nur 101 Minuten läuft. Es muss offen bleiben, ob das BFI gekürzt oder schneller als 25 Bilder pro Sekunde gemastert hat.
Keuschs Version [3.1995] geht zurück auf technisch mangelhaftes Ausgangsmaterial des Staatlichen Filmarchivs der DDR, das vom Bundesarchiv zur Verfügung gestellt wurde, sowie auf Umkopierungen aus dem Material der Cinémathèque Suisse, das in dieses Material nach dem Vorbild der von Enno Patalas in München montierten Fassung eingesetzt worden war. Die Bildqualität ist unbefriedigend, die Abtastung (wie die zugrundeliegende Umkopierung) ist nicht formatrichtig – der Film wurde im frühen Tonfilmformat 1:1,19 gedreht, ist hier aber nur stark beschnitten in 1:1,37 zu sehen.
Die Tonqualität ist ebenfalls schlecht, da Keusch auf die alte Umkopierung zurückgriff, anstatt von den erhaltenen Originalen auszugehen. So erklärt sich das unbefriedigende Resultat der digitalen Tonbearbeitung. Noch gravierender ist, dass Keusch sich entschlossen hat, den Ton durch Hinzufügungen zu „verbessern“ und an Stellen, die Lang ausdrücklich stumm gelassen hatte, nun Dinge zu hören sind, die dort nicht hingehören.
Die „sleeve notes“ von Chris Darke sagen zu dem auf der Kassette präsentierten Material überhaupt nichts und enthalten auch sonst einige Ungenauigkeiten, die bei sorgfältigem Lektorat vermeidbar gewesen wären: So wird der Schauplatz des Films nach Düsseldorf verlegt (obwohl Dialekt der Darsteller und die mehrfach im Bild gezeigten Stadtpläne Berlin nahelegen), das Ende von Fritz Langs Karriere in Deutschland wird mit 1934 um ein Jahr nachdatiert, das Verbot von DAS TESTAMENT DES DR. MABUSE mit 1932 um ein Jahr zu früh angesetzt.
(Martin Koerber)
Fritz Lang: M. London: Eureka Video 1999, EKA40002. Region 2 DVD; German language with English subtitles; Black & white; Running Time: 110 minutes approx; Mono; Aspect Ratio: 4:3 (Release date: 13.9.1999)
Wie auf der VHS-Kassette des BFI wird auch von Eureka Video die Bearbeitung des Films von Donat Keusch vertrieben. Gerechterweise muss man anmerken, dass bis zur aktuellen Restaurierung des Filmmuseums in Amsterdam (4.2001) keine bessere Fassung (abgesehen von der Arbeitskopie des Münchner Filmmuseums) zur Verfügung stand. Da die Rechteinhaber von M sich an der erneuten Bearbeitung aus Anlass der Lang-Retrospektive der Internationalen Filmfestspiele 2001 beteiligt haben, steht zu hoffen, dass die definitive Fassung bald in Umlauf gebracht werden kann.
Die mangelhafte Bild- und Tonqualität der Keusch-Fassung ist also auch hier zu verzeichnen, ebenso die hinzugefügten Töne und der hinzugefügte Vorspann, die den Intentionen Langs widersprechen. Der Ton dieser DVD erscheint seltsamerweise noch dumpfer als der auf der VHS-Kassette, worunter die Sprachverständlichkeit stellenweise deutlich leidet.
Gegenüber der VHS-Ausgabe des BFI hinzugekommen ist der auch in der zugrundeliegenden Filmkopie aufzufindende zusätzliche Titelvorspann mit allen bekannten Credits, der aus der Kopie des Münchner Filmmuseums übernommen wurde, aber ebenfalls nicht original ist.
Die Bildqualität zeigt gegenüber der VHS-Kassette keine Verbesserung, sondern wirkt leicht unscharf. Die Abtastung ist nicht formatrichtig (1:1,19) sondern bietet nur 4:3, dadurch wirkt das Bild oben und unten leicht beschnitten.
Das letzte Wort am Ende des Films (der Stoßseufzer der Mutter: „Ihr!“) fehlt, ein „Ende“ ist im Bild hinzugefügt, für das sich im erhaltenen Original kein Vorbild findet.
Die Vorteile, die eine DVD an Analysemöglichkeiten und anderen Beigaben bieten könnte, werden hier in keiner Weise genutzt. Um wenigstens den Anschein zu wahren, dass eine DVD etwas anderes als eine Videokassette sein kann (auf dem Cover wird mit „Interactive Menus“ geworben), ist der Film in 12 Kapitel aufgeteilt worden, die separat angesteuert werden können. Das Menü ist sehr kleinteilig, selbst auf einem 70cm-Monitor ist die Schrift kaum lesbar. Kapitel 7 zeigt ein Missverständnis der Bearbeiter: dass ein Kriminalbeamter die Wohnung des Mörders aufsucht und sich gegenüber der Wirtin als Finanzbeamter ausgibt, wird hier wörtlich genommen: „The taxman calls“. Der Patzer erhellt schlagartig die geringe Gedankentiefe dieser Edition von M.
Einzige andere Beigabe ist ein Kapitel „Biographies“, das jedoch nur eine Kürzestbiographie von Fritz Lang enthält. Der kurze Text bricht mit dem Erscheinen des Films M im Jahre 1931 ab. Es gibt keine Optionen, Untertitel in verschiedenen Sprachen zu wählen, englische Untertitel sind permament im Bild, was für den deutschen Zuschauer lästig ist. Ein Begleitheft gibt es nicht, auf dem Cover sind keine weiteren Angaben zur Edition als „longest available version, ca 110 Min.“ Tatsächlich sind es korrekte 109 Minuten (mehr Material gibt es von M nicht mehr) – die zusätzliche Minute erklärt sich durch den hinzugefügten Titelvorspann, der von Keusch aus dem Material des Münchner Filmmuseums übernommen wurde.
Der Waschzetteltext kolportiert Legenden: 24 Vertreter der wirklichen Unterwelt Berlins, die Lang als Nebendarsteller eingesetzt habe, seien während der Dreharbeiten verhaftet worden; der Arbeitstitel des Films „Mörder unter uns“ sei auf Wunsch der Nationalsozialisten (die bekanntlich 1931 noch nicht an der Macht waren) abgeändert worden. Die Namen einiger Darsteller sind falsch geschrieben.
(Martin Koerber)
Literatur: http://www.michaeldvd.com.au/Reviews/M.asp
DAS CABINET DES DR. CALIGARI (1920, R: Robert Wiene)
1.ca1980: Filmmuseum München: Enno Patalas, Klaus Volkmer, Gerhard Ullmann.
Kurzbericht: Schwarzweiß, basierend auf der kürzeren, zweiten Fassung von 1921, in einer Kopie von Gosfilmofond, seit 1974 im Münchner Filmmuseum. Darin wurden die Zwischentitel ersetzt durch die der ersten Fassung von 1920, wie die SDK Berlin sie als 16mm-Kopie (aus der Sammlung von Gerhard Lamprecht) besitzt – aufgeblasen auf 35mm, und zwar zunächst (Fassung a) jeweils als verlängerte Einzelbilder, nur die neun Rolltitel Bild für Bild, dann (Fassung b) alle Titel Bild für Bild aufgeblasen, um dem Korn seine Lebendigkeit zu erhalten. Das Ziel: Die Titel wie Einstellungen wirken zu lassen, ihre Grafik und die der Dekors (Hermann Warm: „Das Filmbild muss Grafik werden“) einander anzugleichen. (Enno Patalas)
Kopierwerk: ifu Remagen; Zwischentitel: Blow-up Filmtechnik Karl Kressling, München.
Format: 35mm, s/w, 1.480 m.
TV-Erstsendung: 15.5.1983, ZDF (ZDF-Matinee), Musik: Peter Michael Hamel, stereophon aufgezeichnet. Wiederholungen: 23.3.1986 und 8.1.1989 (3SAT, 73‘48“), 15.3.1992 (ARTE).
Restaurierungsbericht zur TV-Erstsendung: „Seit über einem Jahrzehnt bemüht sich das ZDF um bildgetreue Aufbereitung von Stummfilmen. Grundbedingung hierfür ist die intensive Recherche zur Materialfindung und die Unterstützung internationaler Archive. Im Fall DAS CABINET DES DR. CALIGARI arbeitete das ZDF mit dem führenden Filmhistoriker und Leiter des Film-Museums München, Enno Patalas, zusammen, dem es gelungen ist, eine Fassung aufzutreiben, die 1923 in die Kinos kam und von der ein außergewöhnlich gut erhaltenes Negativ existiert. Der Unterschied zur Fassung von 1920 liegt in neuen Titeln und geringfügigen Kürzungen. Mit Hilfe der Berliner Stiftung Deutsche Kinemathek wurden dem ZDF jetzt auch die Zwischentitel von 1920 zugänglich gemacht, die noch zur Sendung im Jahr 1983 in die Sendefassung eingeschnitten werden. Eine weitere CALIGARI-Fassung, die von einem südamerikanischen Privatsammler erworben wurde und im Filminstitut der Landeshauptstadt Düsseldorf lagert, ist zwar farb-viragiert, aber nicht im besten Zustand. Außerdem soll sie nicht vollständiger sein als die vom ZDF bearbeitete Version. Das ZDF verfügt über die modernsten technischen Anlagen zur Restaurierung und Bearbeitung historischen Filmmaterials. So wird der Film mit vollem Stummfilmbild (…) und in der ursprünglichen Geschwindigkeit (…) aufgeführt (…). (ZDF-Pressematerial)
Literatur: Gezeigt wurde eine Kopie, „die bis auf die Viragierung mit der in Düsseldorf gezeigten Fassung [die Restaurierung des Bundesarchivs; vgl. 2.1983/84] weitestgehend übereinstimmt.“ (Robert Fischer (Hg.): DAS CABINET DES DR. CALIGARI. Stuttgart 1985, S.6)
Anmerkung: Die „Zusammenarbeit“ hat lediglich darin bestanden, dass das Münchner Filmmuseum dem damaligen Rechteinhaber, der Beta-Taurus, seine schwarzweiße Arbeitskopie (wie andere Filme auch) im damals erreichten Stadium zur Überspielung überlassen hat. Das ZDF hat seinerzeit meines Wissens keinen Film materiell restauriert, immer nur MAZ-Fassungen hergestellt, nie im Kino spielbare Filmkopien. – Die ZDF-Mitteilung belegt, dass das 1983 vom ZDF ausgestrahlte Material nicht mit dem der Fassung des Bundesarchivs zugrunde liegenden identisch ist, sich Robert Fischer insoweit irrt; erklärlich deshalb, weil die Londoner Kopie, die das Bundesarchiv dann hauptsächlich benutzt hat, der Moskauer, auf der unsere Schwarzweiß-Fassung basiert, die das ZDF benutzt hat, sehr ähnelt. (Enno Patalas)
Weitere TV-Sendungen: 24.1.1993, NDR (80‘45“), Kopie: 1.ca1980 (?), Musik: Rainer Viertlböck; Wiederholung: 10.5.1998 (NDR). Weitere Ausstrahlung der NDR-Fassung (?): 30.7.1995 (BR).
2.1983/84: Bundesarchiv-Filmarchiv, Koblenz: Helmut Regel.
Kurzbericht: Kopien aus London, Montevideo (nur als Farbvorlage), Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin (16mm, nur Titel benutzt).
Kopierwerk: Bundesarchiv-Filmarchiv, Koblenz / Taunus-Film, Wiesbaden.
Format: 35mm, Farbe, 1.492 m.
Restaurierungsbericht: Helmut Regel: DAS CABINET DES DR. CALIGARI. Rekonstruktion der farbigen Originalfassung durch das Bundesarchiv-Filmarchiv. In: DAS CABINET DES DR. CALIGARI. Programmheft. Düsseldorf: Filminstitut der Landeshauptstadt Düsseldorf, 1984. Auch in: Robert Fischer (Hg.): DAS CABINET DES DR. CALIGARI. Stuttgart 1985, S.8-11 sowie in epd Film, 3/1984, S.16-18.
Literatur: Ulrich von Thüna: Ein neuer CALIGARI, in: epd Film, 3/1984, S.18-19 – DAS CABINET DES DR. CALIGARI. 15. Internationales Forum des Jungen Films, Berlin 1985, Handout, unpag. [6 Seiten].
Erstaufführung: 11.2.1984, Filmforum Düsseldorf.
TV-Erstsendung: 5.12.1988, RTSI (Radiotelevisione Svizzera Italiana), Musik: Giuseppe Becce.
Weitere TV-Sendungen: 1.6.1994, ARTE, Musik: Rainer Viertlböck.
3.1984: Filmmuseum München: Enno Patalas
Kurzbericht: Farbfassung. Basierend auf einem Farbnegativ, gezogen im Auftrag des Münchner Filmmuseums in Buenos Aires, ausgehend von einer getonten und gefärbten Kopie in Montevideo (nicht der vom Filminstitut Düsseldorf früher erworbenen. sondern einer anderen, noch kopierbaren). Von diesem Negativ wurden zwei Kopien gezogen, in einer (Kopie a) wurden die spanischen Zwischentitel belassen (sie befindet sich jetzt meines Wissens in der Filmoteca Española), in der anderen (Kopie b) wurden sie durch deutsche ersetzt (das Blow-up nach der Berliner 16mm-Kopie). Das Ergebnis der Umkopierung in Buenos Aires war so, dass das Filmmuseum München diese Fassung nie in Umlauf gebracht und nur gelegentlich im Museum gezeigt hat. Von dieser Kopie spricht Elfriede Ledig in ihrem Aufsatz „Rot wie Feuer, Leidenschaft, Genie und Wahnsinn“ in „diskurs film“ 2 (Der Stummfilm. Konstruktion und Rekonstruktion, München 1988), S.93. Die dort erwähnten braungelben und braunorangen „Doppelviragen“ waren das Ergebnis der fragwürdigen Umkopierung. (Enno Patalas)
Kopierwerk: Geyer Berlin.
4.1994: Cinémathèque Royale de Belgique, in Zusammenarbeit mit dem Münchner Stadtmuseum/Filmmuseum und Cineteca del Comune di Bologna. Edition: Enno Patalas, technische Realisierung: Noël Desmet. (Projekt Lumière)
Kurzbericht: Farbig. Ausgehend vor allem von viragierten Kopien in Brüssel und in Montevideo (nicht der vom Filminstitut Düsseldorf erworbenen, sondern einer anderen, noch kopierbaren) und dem Münchner Blow-up der von der Stiftung Deutsche Kinemathek verwahrten Zwischentitel wurden ein schwarzweißes Negativ und davon, nach der in Brüssel von Noël Desmet entwickelten Methode, Kopien auf Farbmaterial gezogen, wobei im ersten Durchgang das getonte (bzw. schwarzweiße) Bild kopiert und in einem zweiten die Färbung hinzugefügt wird. Auf diese Weise wird der Effekt der Kombination von Tonung und Färbung erreicht, lassen sich also auch „schwarzweiße“ Bilder auf flächigem Farbgrund erreichen.
Der Farbenplan ging aus von den Montevideo-Kopien und den auch vom Bundesarchiv benutzten Phasenbildern im Besitz eines Münchner Sammlers. (Enno Patalas)
Format: 35mm, Farbe, 1.577 m.
Restaurierungsbericht: http://www.cinetecadibologna.it/fcr/fcr1994.rtf – The Lumière Project. The European Film Archives at the Crossroads, edited by Catherine A. Surowiec, Lissabon 1996, S.31f.
Erstaufführung: Il Cinema Ritrovato, Bologna, 1994.
LE CABINET DU DOCTEUR CALIGARI. DAS KABINETT DES DOKTOR CALIGARI.
Les Films du Siècle (©Films sans Frontières) / EVE Classics, VHS SECAM [o.J.]
Farbversion mit deutschen expressionistischen Titeln, französischen Untertiteln und einer orchestralen Begleitmusik. Auf dem Cover finden sich keine Informationen zur benutzten Vorlage und zum Erscheinungsjahr. Gemessene Länge: 72‘.
Vorspann: „eve espace vidéo européen / EVE CLASSICS / Films sans Frontières / Les Films du Siècle.“
Die Edition EVE Classics wurde vom Irish Film Institute zusammen mit der Médiathèque de la Communauté Française de Belgique im Rahmen des europäischen MEDIA-Programms herausgegeben.
Der italienische Abspann bringt, neben den CALIGARI-Credits, die folgenden Angaben: „musica: Giuseppe Becce / frammenti della sua partitura originale per il film in aggiunta alla sua Suite „De Profundis“ e brani della sua antologia musicale cinematografia „Kinothek“ / compilazione: Lothar Prox / arrangiamento: Emil Gerhardt / esecuzione dell‘Orchestra della Svizzera Italiana / direttore Mark Andreas / Il restauro della versione virata e tinteggiata del fim e‘ stato realizzato al Bundesarchiv di Koblenz su materiale stampato originale del Filminstitut Düsseldorf, The National Filmarchiv London, e della Deutsche Stiftung Kinemathek Berlino.“
Es handelt sich um die Kopie 2.1983/84 in einer Einspielung der RTSI (Radiotelevisione Svizzera Italiana) in Lugano vom 5.12.1988. (Jeanpaul Goergen / Enno Patalas)
DAS CABINET DES DR. CALIGARI. München: BMG Video / Universum Film GmbH. Bestell-Nr.: 21363073. Erscheinungsdatum: 15.4.1996, ca. 54‘ (nicht mehr lieferbar) / Erscheinungsdatum: 2000, ca. 74‘ (nicht mehr lieferbar)
Laut Cover handelt es sich bei der Edition von 1996 um eine „restaurierte Fassung mit neuer, digital eingespielter Musik von Rainer Viertlböck.“ Auf dem Video befindet sich eine Schwarzweiß-Fassung von DAS CABINET DES DR. CALIGARI mit den expressionistischen deutschen Titeln. Die angegebene Laufzeit von ca. 54 Minuten stimmt nicht; der Film läuft 72‘40“. Auf dem Cover werden sowohl das „Filmmuseum Münchner Stadtmuseum“ als auch die „Transit Filmgesellschaft mbH, Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung“ angeführt. Hinweise auf die verwendete Kopie gibt der Abspann: „Musik: Rainer Viertlböck und das Ensemble ‚besser frei‘ / (…) / Realisation: Art Bureau GmbH und Ernst Klünner / Eine Sendung des Bayerischen Rundfunks ©1995“. Gesendet wurde diese Fassung am 30.7.1995 im Bayerischen Fernsehen. Es handelt sich vermutlich um eine NDR-Produktion vom 24.1.1993. Dieser Fernsehsendung, und somit auch dem Video, liegt die früheste Fassung des Münchner Filmmuseums [1.ca1980] zugrunde.
Die Edition von 2000 kommt mit einer fast identischen Aufmachung wie die Ausgabe von 1996. Auf dem Cover ist die Laufzeit jetzt zutreffend mit „ca. 74 Min“ angegeben; auf der VHS selbst ist das Jahr 2000 aufgedruckt. Angeboten wird jetzt die Farbfassung 2.1983/84, ausgewiesen auch durch den Vorspanntext: „Die Kopie des Films DAS CABINET DES DR. CALIGARI beruht auf der Farbrekonstruktion durch das Bundesarchiv-Filmarchiv.“ Der Cover-Hinweis auf das „Filmmuseum Münchner Stadtmuseum“ erfolgt somit irrtümlich. Die Musik stammt wieder, wie im Nachspann angegeben, von Rainer Viertlböck (Gitarre, Synthesizer), „in Zusammenarbeit mit Michael Hornstein (Altsaxophon), Roberto Digioa (Klavier), Carsten Piening (Bass), Benedikt Hoenes (Schlagwerk) / Tonstudio: Soundfabrik Peter Lübke / Mischung: Kai Martinkovic“ (Jeanpaul Goergen, Enno Patalas)
Literatur: http://www.filmgeschichte.de/reviews/m_reviews_calivid.htm (Olaf Brill, 26.11.2000)
THE MASTERWORKS OF THE GERMAN HORROR CINEMA. DER GOLEM (1920), black & white, 68 minutes, with DAS KABINETT DES DOKTOR CALIGARI (1920), black & white, 51 minutes, and NOSFERATU (1922), black & white, 64 minutes.
Elite Entertainment, DVD region worldwide, NTSC; 1.33:1 full-frame, 2 discs, English intertitles, no foreign language subtitles, 12-page booklet. EE4376 (Release date: 22.2.2000)
„The Elite edition of THE CABINET OF DR. CALIGARI feels like a step backward. The film has been well-transfered (at sound film speed) from two substandard 16mm reduction negatives: one originating from Film Renters Inc., the other from Famous Films Productions Inc. (…) At least Elite has produced a definitive transfer of the 16mm prints commonly utilized for those editions. But is that really saying much? While the transfer framing is impeccable, the framing of the 16mm source material removes picture information from all sides, but especially from the top and left sides of the picture. (…) But, everything that is wrong with the Elite edition of CALIGARI ultimately stems from what is wrong with the source materials. (…) The CALIGARI disc is supplemented by the same 3 minute exerpts from director Robert Wiene‘s 1920 film, GENUINE, available in the Image edition of CALIGARI.“
http://www.silentera.com/DVD/masterworksghcDVD.html (1999-2001 by Carl Bennett)
THE CABINET OF DR. CALIGARI. Special Collector‘s Edition. 72 minutes, stereo, color tinted; with exerpts from Genuine: A Tale of a Vampire (1920), approx. 3 minutes, black & white.
Image Entertainment, DVD region worldwide, NTSC, ID4099DSDVD (Release date: 15.10.1997)
DAS CABINET DES DR. CALIGARI. Black & White (tinted). Silent with musical score. Running Time: Approx. 72 minutes. „This version includes Chapter Index; Commentary; Musical Score; Photos; Advertising and Art; and Genuine (Tale Of A Vampire) featurette.“
London: Eureka-Video, DVD Region 2, EKA 40022 (Release date: 18.9.2000)
Die Image-DVD von 1997 beruht auf dem 1996 vorgelegten Laserdisc THE CABINET OF DR. CALIGARI und bringt auf dem Cover auch die diesbezüglichen Credits: „Produced by David Shepard / Music composed and directed by Timothy Brock / Expressionist titles reconstructed by Jim Tucci and A. Lori Tucci / (…) / Audio essay by Mike Budd, in collaboration with Suzanne Sheber (…)“
Auf dem Cover befindet sich auch ein längerer Hinweis auf die Edition: „This DVD version of THE CABINET OF DR. CALIGARI is digitally mastered at the visually-correct speed of 18 frames per second from a fine, full-frame early-generation 35mm print of the 1923 German re-issue. It is color tinted in several shades of blue, brown, rose and green according to one of the color plans followed in the film‘s different releases during the silent era. Accurate new English translation titles are graphic reproductions of the beautiful hand-painted Expressionist titles which were an especially striking feature of the 1920 release (although they had been replaced by plain white-on-black titles by 1923, even in Germany, in an effort to ‚normalize‘ the film.) Some scenes display a translucent line near the top of the frame. This is a defect carried over from the original film copy and its inclusion seemed greatly preferable to cropping out part of the picture; it is not a defect in this DVD.“
Diese DVD-Edition basiert, wie die ihr vorausgehenden VHS- und Laserdisc-Editionen, ausschließlich auf einer 1.464 m langen Kopie des von Gosfilmofond Moskau verwahrten Materials der zweiten deutschen Fassung von DAS CABINET DES DR. CALIGARI – es stimmt also nicht, dass „alles überlebende Material in diese Edition einbezogen worden ist“ (Carl Bennett). Im übrigen will Gosfilmofond sein Material Shepard nicht zugänglich gemacht haben.
Text und grafische Gestaltung der englischen Zwischentitel orientieren sich an der Reproduktion einzelner Phasenbilder in der Broschüre „Caligari und Caligarismus“ (Deutsche Kinemathek Berlin, 1970), wobei die Rolltitel nur als stehende wiedergegeben werden und der zeichnerische Duktus der Vorlage glattgebügelt ist.
Die schwarzweiße Vorlage ist nach Gutdünken und ohne Benutzung einer überlieferten authentischen Vorlage koloriert worden. Statt schwarzweißer Bilder auf gelbem Grund (für Außen/Tag) oder orangefarbenem (für Innen) gibt es braune auf weißem Grund (statt „Färbung“ „Tonung“), statt „ladies‘ pink“ für Janes Salon Violett, im Prolog gibt es keine Kombination aus Färbung und Tonung, usw…
Beim Ton hat man die Wahl zwischen einer gefälligen Schauermusik in kleiner Besetzung (Timothy Brock) und einem Kommentar von Mike Budd, Professor an der Florida Atlantic University, Herausgeber und Coautor einer repräsentativen Anthologie zu dem Film (THE CABINET OF DR. CALIGARI: Texts, Contexts, Histories. New Brunswick 1990). Sein Vortrag macht sich wenigstens nicht besserwisserisch über die Bilder her, bringt aber auch nichts, was man nicht besser in seinem Buch fände.
Als Extra enthält die DVD zwei Ausschnitte aus Robert Wienes GENUINE, offenbar unter Benutzung der in der Cinémathèque Française gezogenen schwarzweißen 16mm-Kopie der französischen Fassung. (Gut erhaltene, unterschiedlich gefärbte und geschnittene 35mm-Nitro-Kopien der französischen Fassung befinden sich in den Kinematheken von Toulouse und Lausanne und liegen der Edition des Münchner Filmmuseums von 1996 zugrunde.)
Die Eureka-DVD ist mit der Image-Fassung identisch. (Enno Patalas)
http://www.geocities.com/Hollywood/Studio/7624/alltext/Shepard.html (Paula Vitaris: A New Master for Cesare. An interview with David Shepard on the remastered home video edition of THE CABINET OF DR. CALIGARI, [April 1998])
http://www.silentera.com/DVD/cabinetdrcaligariDVD.html (Carl Bennett, 1999/2000)
http://www.filmgeschichte.de/reviews/m_reviews_calidvd.htm (Olaf Brill, 26.11.2000)
Olaf Brill: CALIGARI auf DVD, in: epd Film, 2001, Nr. 2, S.10.
http://www.michaeldvd.com.au/Reviews/CabinetOfDrCaligari.html (Ian Morris, 21.12.2000)