Das Thema „Farbe im Film“ war bereits ein Schwerpunkt der vorletzten Ausgabe. Jeanpaul Goergen knüpft daran mit einer detaillierten Materialsichtung an. Nun stehen Viragen und Tonungen in dokumentarischen Filmen der Jahre 1910 bis 1930 im Fokus. Was sich hier abzeichnet, ist eine Ausdifferenzierung von Genres und Stilen, mit einem nicht immer logisch zu begründenden Farbeinsatz – von den frühen Naturaufnahmen und Aktualitäten, dem Industriefilm hin zum Kulturfilm der 1920er Jahre.
Thematische und ästhetische Verschränkungen von Vorprogramm und Hauptfilm gehören zu den noch wenig untersuchten Phänomenen im Weimarer Kino. Neue Beobachtungen dazu liefert Jeanpaul Goergen am Beispiel des österreichischen Serienfilms DIE VAMPIRE VON NEW YORK (1921) und der kurzen Animation DER SCHWARZE JACK (1922), die beide mit Mitteln des populären Kriminal- und Detektivfilms arbeiten. Brigitte Braun geht indes vom einschneidenden Ereignis der Ruhrbesetzung durch französische Truppen im Jahre 1923 aus und fragt nach Reaktionen im deutschen Film: Während Kurzfilme im Sinne des „nationalen Abwehrkampfes“ direkt reagierten, wurden Spielfilme wie SCHICKSALWENDE (1923), der vierte Teil von FRIDERICUS REX, durch ihre mediale Präsentation und Auslegung zu „Tendenzfilmen“. Zugleich beschreibt sie das leichte Spiel ausländischer Verleiher, die das National-Epos in kassenträchtige antideutsche Propaganda verwandelten.
Die Schilderung mal geglückter, mal verhinderter Schauspielerkarrieren im „Dritten Reich“ scheint in der Publizistik nahezu unerschöpflich. Dementsprechend unterziehen Renata Helker und Rolf Aurich das Schaffen von Ferdinand Marian und Theo Lingen einer vorsichtigen Neubewertung und widmen sich zu diesem Zweck vor allem den Rollenprofilen beider Mimen. Renata Helker entdeckt den als JUD SÜSS-Darsteller stigmatisierten Marian vor allem über seinen letzten Spielfilm DIE NACHT DER ZWÖLF (1945/49) als gestisch brillanten Charakterkopf, dessen Interpretation eines Heiratsschwindlers Kritik am alten Männlichkeitsmodell genauso wie am NS-System enthalte. Rolf Aurich hebt dagegen in seiner Analyse der Lingen-Figur des Kammerdieners Johann im gleichnamigen Film von 1943 auf die starke persönliche Färbung seiner Rolle ab, die herrschenden Idealen durchaus zuwiderlaufe. (Ralf Forster)
Berlin, den 18. Juli 2010