Stefanie Mathilde Frank: Arthur Maria Rabenalts Filme 1934 bis 1945. Eine dramaturgische Analyse. Berlin: Avinus Verlag 2010, 172 Seiten, Abb.
ISBN 978-3-86938-014-8, € 20,00
In der Forschung führt Arthur Maria Rabenalt ein Doppelleben. Von theaterwissenschaftlicher Seite wird er bis heute als einer der wichtigsten Erneuerer des Regietheaters der Weimarer Republik gewürdigt, der für Oper und Operette ähnliches geleistet hat wie Erwin Piscator für das Sprechtheater. Für die Filmgeschichtsschreibung gilt jedoch weiterhin jenes stillschweigende „Berührungsverbot“, von dem schon Werner Sudendorf in seinem Nachruf 1993 gesprochen hat. Die aus einer Abschlussarbeit an der Humboldt Universität zu Berlin hervorgegangene Studie von Stefanie Mathilde Frank stößt in diese Lücke, indem sie die Rabenalts Filme aus der Zeit des Nationalsozialismus im Hinblick auf deren thematische Ausrichtung und dramaturgischen Muster einer näheren Betrachtung unterzieht.
Zu Beginn ihrer Studie setzt die Verfasserin jedoch erst noch einmal ausführlich die schwierigen Bedingungen der filmhistorischen Aufarbeitung Rabenalts auseinander, die nicht zuletzt von den eigenen historiografischen Rechtfertigungsversuchen des Regisseurs (Film im Zwielicht, 1958/1978; Joseph Goebbels und der „Großdeutsche“ Film, 1985) eher behindert als befördert worden ist. Im Ergebnis stand eine weitgehende Ausblendung der Breite seines Schaffens zugunsten der bevorzugten Beschäftigung mit … REITET FÜR DEUTSCHLAND (1941) als einem jener Filme, deren propagandistische Absicht außer Frage steht. An dieser Verengung und perspektivischen Verkürzung im Blick auf die Filme Rabenalts setzt der zweite Teil an. Er bietet einen konzisen Überblick über die inhaltliche Werkentwicklung und die zeitgenössische kritische Rezeption der Filme. Im Ergebnis lassen sich nicht nur Parallelen zu Tendenzen der nationalsozialistischen Filmpolitik feststellen, sondern auch Unterbrechungen und Schwierigkeiten, etwa wiederholte Zensurprobleme, längere Auslandsaufenthalte und ausgedehnte Pausen in der Filmarbeit (während der sich Rabenalt wieder der Theaterregie zuwandte).
Das Kernstück des Buches bildet der abschließende analytische Teil, der das zuvor in inhaltlichen Zusammenfassungen skizzierte Korpus von insgesamt 24 Langspielfilmen nun unter Aspekten der Dramaturgie, der Figurenkonzeptionen und Verwendung von Filmmusik sowie dem Spiel mit Film-im-Film-Konstruktionen genauer in den Blick nimmt. Die dramaturgische Analyse folgt dabei einer Genrezuordnung in „Komödien und Musikfilme“, „Zirkusfilme“, „Filme mit Dramenvorlage“, „Filme mit Vergangenheitsbezug“ und „Filme mit Gegenwartsbezug“. Was genau in den Bereich der „Dramaturgie“ fällt, ist im Verlauf der Analysen nicht immer verbindlich geklärt, schließt der Begriff doch oft auch die Schauspieler-Besetzung und entsprechende Rollenstereotype sowie Elemente der filmischen Gestaltung und des thematischen Realitätsbezugs mit ein. Vor allem die Ebenen von Handlung und Dramaturgie werden hier nicht immer mit der gebotenen Trennschärfe auseinandergehalten. Dennoch gelingen aufschlussreiche Befunde etwa zur graduellen Auflösung einer klassisch-aristotelischen Erzählanlage hin zur locker gefügten Form einer „Stationendramaturgie“ (S. 133), die sich quer zu den gefundenen Genrekategorien bei Rabenalt nachvollziehen lässt.
An dieser Tendenz wie an anderen Gestaltungs- und Erzählmerkmalen lassen sich in Rabenalts im Kontext des Nationalsozialismus entstandenen Filmen neben gängigen Ideologemen durchaus auch modernistische Momente festmachen. Zu klären bleibt, ob diese Momente tatsächlich auf Rabenalts avantgardistische Theaterarbeit der Weimarer Zeit zurück- bzw. auf Entwicklungen der Nachkriegszeit voraus weisen, wie die Autorin nahe legt, oder ob sie nicht vielmehr als integraler Bestandteil der Funktionslogik eines für die nationalsozialistische Kultur kennzeichnenden „reaktionären Modernismus“ (Jeffrey Herf) zu betrachten sind.
Dem am Ende formulierten Forschungsausblick, der die Grenzen der eigenen Arbeit reflektiert, aber auch die aus ihr hervorgehenden Perspektiven skizziert, kann in diesem Zusammenhang nur beigepflichtet werden: „Die Spannungsfelder, die sich im frühen Filmschaffen Rabenalts zwischen 1934 und 1945 aufzeigen lassen, bedürfen einer weitergehenden Analyse. Sowohl eine Auseinandersetzung mit seinen Operninszenierungen in der Weimarer Republik als auch den späteren Film- und Fernseharbeiten erscheint notwendig; einerseits um die Kontinuitäten im besprochenen Zeitraum genauer verorten zu können und andererseits, um Brüche auszumachen, die aus Zeit und künstlerischer Entwicklung resultieren, um Linien nachzuzeichnen, die filmgeschichtlich vermutlich nicht nur Zäsuren mit dem Jahr 1945 verbinden. […] Eine Kontextualisierung des Gesamtoeuvres sowohl mit theatertheoretischen Schriften als auch mit weiteren filmtheoretischen Schriften Rabenalts aus dem Nachlass und den in dieser Analyse fehlenden Filmen würde Interpretationslücken schließen und eindeutigere Urteile ermöglichen.“ (S. 156f.) Es bleibt zu hoffen, dass sich eine junge Generation von Filmhistorikern dieser Aufgabe mit gewachsenem zeitlichem Abstand so unvoreingenommen stellt, wie Stefanie Mathilde Frank es vorgemacht hat. (Michael Wedel)
Michael Wedel ist Professor für Mediengeschichte an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Mitglied von CineGraph Babelsberg und Redakteur von Filmblatt. Autor u.a. von Filmgeschichte als Krisengeschichte. Schnitte und Spuren durch den deutschen Film (Bielefeld 2011).
Filmblatt 44 – Besprechungen online
Veröffentlicht am 12.5.2011
Redaktion: Ralf Forster, Michael Grisko, Philipp Stiasny, Michael Wedel
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