Eichberg Wiederentdeckt. Über ein Vierteljahrhundert gehörte Richard Eichberg (1888-1952) zu den zentralen Figuren des deutschsprachigen Genrekinos. Die Palette des als Berliner Original bekannten Regisseurs und Produzenten erstreckte sich dabei von Sensations-Melodramen über Kriminal- und Spionagestreifen, Historien- und Abenteuerspektakel bis hin zu musikalisch beschwingten Operetten- und Varietéfilmen.
Er entdeckte Stars wie Lee Parry, Lilian Harvey oder La Jana, drehte mit Paul Wegener, Willy Fritsch, Anna May Wong, Hans Albers und Heinrich George. Viele seiner Filme setzten für ihre Zeit die Standards populärer Filmunterhaltung.
Vom Publikum wurde er geliebt, von der Kritik als Meister der Kolportage teils heftig angegriffen, teils leidenschaftlich verteidigt. Als Markenzeichen eines Studiostils wie als inszenatorische Handschrift des Regisseurs war der Name Eichberg synonym für ein modernes, international ausgerichtetes Kino der bewegten Massen und exzessiven Emotionen – auf und vor der Leinwand: „Kennen Sie den Zustand, wenn man sehr gut gegessen, einen sehr guten Wein getrunken hat und jetzt, nachher, eine Havanna raucht – ein Zustand, wo der andere den größten Kohl reden kann und man findet es doch lustig, anregend? Das ist der Zustand ‚Richard Eichberg'“ (Willy Haas, 1926). Nicht zuletzt diesen besonderen Aggregatzustand, in den Eichberg sein historisches Publikum zu versetzen verstand, gilt es an seinen Filmen wieder zu entdecken.
Von Eichbergs 108 Filmen präsentiert die Reihe „Wiederentdeckt“ vom 6. bis 15. Juli im Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums eine charakteristische Auswahl von 12 Produktionen, darunter sieben Stummfilme, die mit Klavierbegleitung gezeigt werden.
Kuratoren der Reihe: Jeanpaul Goergen, Michael Wedel
Vollständiges Programm der Retrospektive „Eichberg Wiederentdeckt“
pdf, 355,1K, 06/07/07, 805 downloads
Das Buch zur Retrospektive
Michael Wedel: Kolportage, Kitsch und Können. Das Kino des Richard Eichberg. Filmblatt-Schriften 5
SONG (D/GB 1928). Mit ihrer Darstellung des Malayen-Mädchens Song spielte sich Anna May Wong, von Richard Eichberg aus Hollywood nach Europa geholt, erstmals auch in den Mittelpunkt der deutschen Öffentlichkeit. Aber nicht nur das breite Publikum fand Gefallen an der auf einzigartige Weise unverbraucht und authentisch wirkenden jungen Chinesin, auch Intellektuelle zogen ihre „großen Augen, die Unaussprechliches zu – verschweigen scheinen“, in den Bann.
In diesem frei nach der Erzählung Schmutziges Geld von Karl Vollmoeller entstandenen Melodrama verkörpert sie die heimatlose Titelfigur, die sich in einen Matrosen (Heinrich George in einer frühen Paraderolle) verliebt. „Singapore – Hafenschenken mit Messerwerfern – Nachtlokal mit Ausstattungskünsten – im Eingang eine Messerstecherei zwischen Matrosen, zwischendurch der Tobsuchtsanfall eines blinden Messerwerfers, zuletzt ein Schwertertanz mit letalem Ausgang – das sind die Elemente, die Eichberg mit zielsicherem Blick und festem Zugriff zum Ganzen fügt“ (Internationale Filmschau, Nr. 10, 25.9.1928).
Die ungemeine Präzision, mit der Eichberg das Genremuster ausgestaltet, Momente zärtlicher Intimität ebenso intensiv zur Geltung bringt wie die emotionalen Wirkungen heftiger Dramatik, überzeugt noch heute und lässt SONG vielleicht sogar als seinen gelungensten Film überhaupt erscheinen.
Eröffnungsvortrag: Michael Wedel
SONG (D/GB 1928, R: Richard Eichberg, D: Anna May Wong, Heinrich George, Mary Kid, Paul Hörbiger, engl. ZT)
Kopie: British Film Institute
Am 6. Juli 2007 im Zeughauskino