Hatte sich der grazile Reiz der Anna May Wong in SONG (1928) noch im Rahmen des rauen Seefahrer- und fernöstlichen Kneipenlebens zu entfalten, so bringt Eichberg ihn in GROßSTADTSCHMETTERLING im vergleichsweise verfeinerten gesellschaftlichen Milieu der Pariser Bohème zur Geltung.
Aber selbst hier hat es Anna May Wong, diesmal in der Rolle der schönen chinesischen Tänzerin Mah, mit einem mehr als nur latent gewalttätigen Widerpart zu tun: dem brutalen Coco, gespielt von Alexander Granach, dessen unbändiges Verlangen ihn auch vor Mord und Diebstahl nicht zurückschrecken lässt.
Auf der Flucht vor Coco verdingt sich Mah als Modell bei dem russischen Maler Kusmin (Fred Louis Lerch), in den sie sich alsbald verliebt. Als dieser ihr einen Scheck zur Einlösung bei der Bank anvertraut, lauert Coco ihr auf. Mah muss Coco das eingewechselte Geld aushändigen, lässt sich aber nicht zwingen, mit ihm zu gehen. Das Mädchen gerät selbst in Verdacht, den Maler hintergangen zu haben, da sie die Drohung Cocos ernst nimmt, Kusmin zu töten, wenn sie ihm die Wahrheit sagt. Verzweifelt sucht sie nach einem Weg, ihre Unschuld zu beweisen.
Wie die zeitgenössische Kritik befand, ist Anna May Wong „auch hier (…) noch von sublimen, durchdringenden, erhellenden Ausdruckskräften und Reizen. Wenn sie schleicht, wenn sie flüchtet, wenn sie tanzt, wenn sie spielt, wenn sie blickt“ (Berliner Tageblatt, Nr. 176, 14.4.1929).
Einführung: Jeanpaul Goergen
GROßSTADTSCHMETTERLING (D/GB 1929, R: Richard Eichberg, D: Alexander Granach, Anna May Wong, Fred Louis Lerch, Nien Sön Ling)
Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv
Am 13. Juli 2007, 19.00 Uhr, um Zeughauskino