SO IST DAS LEBEN / TAKOVY JE ZIVOT (CS/D 1930; Tonfassung BRD 1967, Buch und Regie: Carl Junghans, D: Vera Baranovskaja, Theodor Pištek, Valeska Gert, 65’)
Der Titel – ein Programm: Mit seinem noch stumm gedrehten Film SO IST DAS LEBEN gelingt Carl Junghans 1930 eine moderne Schilderung von Zeitzuständen, episodisch, rhythmisch geschnitten und ohne kämpferisches Pathos. In typisierter Form finden sich dort Charaktere aus der Zwischenkriegszeit zusammen, die sämtlich aus dem unteren Kleinbürgermilieu stammen und deren sozialer Abstieg bis zur Katastrophe vorgezeichnet ist: ein trunksüchtiger Kohlenarbeiter, der mit einer Kellnerin fremdgeht und bald entlassen wird, seine Frau, stets emsig bei der Wasch-Arbeit, ohne genug zu verdienen, und schließlich ihre Tochter, erst Maniküre, dann auf die Straße gesetzt und zudem ungewollt schwanger. In sieben Kapiteln, an sieben Tagen nimmt die Tragödie ihren Lauf. Dem Tod der Wäscherin folgt eine lange dramatische Sequenz der Ehrerweisung, die Trauernden verharren als geeinte Schicksalsgemeinschaft. Nicht nur mit der verkündeten Hoffnung auf Wiederauferstehung bekannte sich Junghans zu christlichen Werten und hielt SO IST DAS LEBEN von kommunistischem Aktionismus fern, machte den Film von „proletarischen Klassikern“ wie MUTTER KRAUSENS FAHRT INS GLÜCK (1929) und KUHLE WAMPE (1932) unterscheidbar.
Carl Junghans selbst blieb ein Suchender, ein Außenseiter zwischen den Fronten. Bald nach seinem Kompilationsfilm über die Olympischen Winterspiele 1936 JUGEND DER WELT emigrierte er in die USA, konnte dort im Filmbereich kaum Fuß fassen und kehrte 1963 in die Bundesrepublik zurück. Wir präsentieren die von Junghaus 1967 erstellte Tonfassung von SO IST DAS LEBEN, eine Wiederbegegnung mit seinem wohl wichtigsten Film, die zugleich den Umgang mit historischen Stummfilmen in den 1960er Jahren zeigt.
Kopie: Deutsches Filminstitut – DIF
Einführung: Ralf Forster
Am 2. Juli 2010, 19.00 Uhr, im Zeughauskino