Wie kaum eine andere deutsche Schauspielerin hat Henny Porten (1890-1960) zwischen 1910 und 1933 das populäre Bild der Frau in Deutschland verkörpert und geprägt. Bewunderer hatte sie in allen Bevölkerungsschichten: Soldatenräte ließen sie in den Novemberkämpfen 1918 hochleben; Reichstagspräsident Ebert besuchte ihre Dreharbeiten; und bei ihren Filmpremieren erlebten die Innenstädte Massenaufläufe. Ironisch und ernsthaft augenzwinkernd schlug 1922 der Literat Kurt Pinthus im linksliberalen Tagebuch vor: „Man mache Henny Porten zum Reichspräsidenten! Hier ist eine Gestalt, die in Deutschland volkstümlicher ist als der alte Fritz, als der olympische Goethe es je waren und sein konnten… Hier ist eine schöne Frau, die als Vereinigung von Gretchen und Germania von diesem Volke selbst als Idealbild eben dieses Volkes aufgerichtet wurde“.
Bereits seit 1906 war die junge Porten in Dutzenden von Tonbildern aufgetreten, in nachgestellten kurzen Opernszenen, zu denen im Kino der entsprechende Musikpart aus dem Grammophon erklang. Mit großen Posen und Affektdarstellungen eiferten die Darsteller dieser frühen, oft nur eine Minute langen Filme den bekannten Mimen der Hoftheater nach. Bekannte, zur Ikone geronnene Darstellungsklischees großer Gefühle nahm die junge Filmschauspielerin auf und formte daraus ein filmspezifisches Vokabular stummen Spiels, eindringlicher Gesten und Blicke. Portens Gebärdensprache betont die vereinzelte Geste und isoliert Bedeutung, die nur in Gipfelmomenten beschleunigt, ansonsten aber ausgespielt oder verlangsamt wird.
Portens häufig wiederkehrendes Darstellungsfeld – schicksalsschwerer Kampf und mit Demut getragenes Leid – wird während des Ersten Weltkriegs Realität vieler Frauen. Henny Porten, die ihren ersten Mann in diesem Krieg verlor, erschien in ihren Figuren wie in ihrem Starleben gerade in den 1910er Jahren als ein Spiegelbild der deutschen Frauenseele. Von dieser Besetzung sollte sie noch lange profitieren. In ihrer körperlichen Erscheinung – groß und etwas üppig, mit dunkelblondem, meist wohl geordnetem Haar, ausdrucksvollen Augen, einem vollen Gesicht und einem festen Nacken – ist die Porten vielleicht nicht unbedingt als exzeptionelle Schönheit zu bezeichnen. Doch sie deckte gerade auch in Aspekten physiognomischer Durchschnittlichkeit das Attraktivitätsideal der deutschen Frau umfassend ab.
Viel wichtiger ist ohnehin die Hochherzigkeit und Selbstlosigkeit, die sie ihren oft tragisch endenden Figuren zu geben versteht. Die Würde, mit der ihre Figuren ihr Leid trugen, ließ Zuschauerinnen eigene Lebensprobleme vergessen und sich dem Seelenglanz einer ebenso empathischen wie empathisch besetzbaren Leinwandgestalt hingeben. Zur oft behaupteten äußeren Blondheit Henny Portens gesellte sich eine „innere Blondheit“ des von ihr verkörperten Charakters. In der Tat ist der fast stetige Verweis ihres mimischen und gestischen Vokabulars auf tiefere seelische oder höhere Komplexe noch heute klar zu erkennen.
Die kleine Hommage aus Anlass ihres 50. Todestages und ihres 120. Geburtstags zeigt vor allem unbekanntere, historisch zu Unrecht vergessene Henny Porten-Filme aus den 1910er und mittleren 1920er Jahren. Darunter sind einige lange als verschollen geglaubte Filme und Rekonstruktionen sowie ein abendfüllender Porträtfilm aus dem Jahr 1928, der Henny Porten in einer Collage ihrer wirkungsvollsten Auftritte zeigt. (Jürgen Kasten)
15.-26. Oktober 2010 im Zeughauskino