Aus der 120 Kilometer südlich von Berlin gelegenen Filmfabrik Wolfen kamen vor 1945 bahnbrechende technische Erfindungen wie das AGFACOLOR-NEU-Verfahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg durchlebte das Werk eine wechselvolle Geschichte, zwischen amerikanischer und sowjetischer Besetzung, Reparationen und sozialistischem Großbetrieb. In der DDR blieb die Wolfener Filmfabrik der einzige Hersteller von Foto- und Kinefilm, seit 1964 unter dem neuen Warenzeichen ORWO (Original Wolfen), doch bei zunehmenden technischen und ökonomischen Schwierigkeiten.
In den letzten Jahren wurde die Firmengeschichte durch mehrere Publikationen intensiv erforscht. Keine Beachtung fanden dabei die zahlreichen Image- und Werbefilme, von denen einige erstmals in diesem Programm vereint sind. Sie bieten einen eindrucksvollen Querschnitt der Produkte, erlauben Rückschlüsse auf veränderliche Strategien der betrieblichen Selbstdarstellung, zeigen verschiedene Formate des Werbefilms und belegen schließlich inhaltlich-ästhetische Verschiebungen des Genres. Ebenfalls nachhaltig präsent wird der kultur- und wirtschaftspolitische Hintergrund.
Allen Filmen eigen ist das Betonen des breiten Sortiments, einer internationalen Kundschaft und die zumeist positive Rückschau auf die Zeit vor 1945. Mit Einführung der Marke ORWO verminderte sich diese Traditionsverbundenheit, nun hantierte – selbst der Exportwerbefilm – selbstbewusst mit den modernen „sozialistischen Produktionsverhältnissen“. Zugleich blieben die hochglänzenden Werbemittel nah an den Erzeugnissen, bei Farbfilmen, Röntgen- und anderen Spezialfilmen sowie Magnetbändern beim Einsatz in aller Welt. Unterhaltende Passagen gewannen über die Jahre immer mehr Raum. Visierten Werbefilme hingegen nicht das Ausland an, wie etwa „Film und Faser“ (1960), rückten die Fertigungsvorgänge und die sozialen Leistungen für die Beschäftigten ins Zentrum. Solche Filme gerieten dann mehr zur Rechtfertigung einer Betriebsentwicklung im Sinne innenpolitischer Vorgaben.
Erzeugnisbedingt erweisen sich alle AGFA- und ORWO-Filme als Fundgrube des innermedialen Verweisens. Aufwendig erklären sie die Fototechnologie, integrieren bekannte Spielfilmszenen und Aufnahmen an den Sets und präsentieren das Gattungsspektrum vom Dokumentar- und Wissenschaftsfilm, über den Amateurfilm bis hin zum farbenprächtigen Ausstattungsfilm. Dabei scheint man sich in Wolfen stets eines besonderen Werbeeffektes bewusst gewesen zu sein: ziehen die Filme ihre Beweiskraft doch auch aus dem Umstand, dass sie auf dem Material gedreht wurden, das es zu verkaufen galt.
In Zusammenarbeit mit dem Industrie- und Filmmuseum Wolfen (IFM).
Einführung: Ralf Forster (Filmhistoriker/Mitarbeiter des Filmmuseums Potsdam)
12. März 2012, 19.00 Uhr, Arsenal 2
Weitere Vorführung: Wolfen, IFM, Do., 15. März 2012, 19 Uhr
Programm:
Farbig durch Agfacolor, 1951, Agfa-Filmfabrik Wolfen, fa, 140m/16mm (ca. 12’), Ton, Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv (16mm, deutsche Fass., 12’)
Film und Faser, 1960, Betriebsfilmstudio des VEB Filmfabrik Wolfen, Buch und Regie: Fritz Gebhardt (DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme), Co-Buch und Regie-Assistenz: Horst Eilhardt, Kamera: W. Bauerfeind, sw, 35mm, 25’40’’, Ton, Kopie: IFM Wolfen (35mm, 25’40’’)
Information auf ORWO-Color (engl. Fass.: „That’s ORWO“), 1967, DEFA-Studio für Dokumentarfilme, KAG Industrie und Werbefilm, Buch und Regie Manfred Gußmann, Kamera: Rudolf Müller, Heinz Simon, Sprecher (deutsche Fass.): Walter Kainz, fa + sw, OL (deutsche Fass.): 930m/35mm (ca. 32’), Ton – mit Auszügen aus „Im Dienste des Fortschritts“, 1964 (Werbefilm für Zeiss Jena), Kopien: IFM Wolfen (35mm, deutsche oder engl. Kurz-Fass., 17’31’’); Ralf Forster (DVD von VHS, deutsche Langfass. erworben von Manfred Gußmann, 30’20’’)
Lichtspiele. Erkennen – Gestalten – Erhalten ORWO, 1979, DEFA-Studio für Dokumentarfilme, KAG Industrie und Werbefilm, Buch und Regie: Manfred Gußmann, Kamera: Rudi Müller, Trick: Moser & Rosié, fa, OL (deutsche Fass.): 792m/35mm (ca. 28’), Ton, Kopien: IFM Wolfen (35mm, deutsche Lang-Fass., 27’35’’ – entspricht OL); Ralf Forster (DVD von VHS, deutsche Kurzfass. erworben von Manfred Gußmann, 21’12’’)
Programmlänge: ca. 83’