Belcanto oder Darf eine Nutte schluchzen (D 1978, R: Robert van Ackeren, D: Nikolaus Deutsch, Romy Haag, Udo Kier, Helga Kraus, Helga LaFari, Kurt Raab, Ellen Umlauf, 95’)
Es war nach DER BLAUE ENGEL (1930) und DER UNTERTAN (1950) die sicherlich ungewöhnlichste Adaption eines Romans von Heinrich Mann für das Kino. 1978 produzierte das Literarische Colloquium Berlin, die Robert van Ackeren Filmproduktion in Zusammenarbeit mit Pik 7 Film nach dem im amerikanischen Exil entstandenen Roman Empfang bei der Welt (erschienen 1956) den Film BELCANTO ODER DARF EINE NUTTE SCHLUCHZEN.
Arthur, der Intendant eines Opernhauses versammelt auf eine Soirée die Repräsentanten der Geld-, Lebe- und Kunstwelt, um mit einem Schlag sich selbst und die Oper zu sanieren. Das Vorhaben sich und der Kultur neuen Glanz zu verleihen, scheitert. Van Ackeren inszeniert seine Hochstaplergeschichte in stilisierten, unnatürlichen Tableaus. Seine Figuren singen ihre Texte a-capella, stehen in gleichsam schwebenden Kulissen. Van Ackeren, der nicht nur den Dichter Heinrich Mann einer breiteren Öffentlichkeit vorstellen wollte, sah seinen Film auch als Beitrag zur Kulturerneuerung und als Kommentar zur damaligen Filmförderungspraxis.
Nachdem er mehrere Filme als Kameramann gedreht hatte, war es erst der zweite Film, bei dem der 1946 geborene Robert van Ackeren Regie führte. Im Jahr 1973 erhielt das Drehbuch (Robert van Ackeren, Joy Markert) die Drehbuchprämie des Innenministeriums, fünf Jahre später wurde der Film im Rahmen des Internationalen Jungen Forums auf der Berlinale uraufgeführt. Die Figuren- und Filminszenierung stellt traditionelle Sehmuster in Frage und verweigert sich einem klassischen Erzählkino. BELCANTO ODER DARF EINE NUTTE SCHLUCHZEN „ist ein äußerst strenger, konsequenter, in sich geschlossener Film. Er enthält überraschende Schönheiten von einer gläsernen Eleganz. Sein kritisches Potential steht nicht als Konterbande neben seiner Ästhetik: diese selbst formuliert es: gegen Kultur als Geschäftsvorwand und gegen eine Form von Erzählkino, da erzählt ohne etwas zu sagen.“ (Wolfram Schütte, Frankfurt Rundschau)
Kopie: Deutsche Kinemathek, Berlin
Einführung: Michael Grisko (CineGraph Babelsberg)
Am 3. Dezember 2010, 19.00 Uhr, im Zeughauskino