Martina (BRD 1949, R: Artur Maria Rabenalt, D: Jeanette Schultze, Cornell Borchers, Siegmar Schneider, Margarete Kupfer, 90’)
Das Drama einer jungen Frau, die im Krieg aus der Bahn geworfen wird, und zugleich ein grelles Panorama der frühen Nachkriegsjahre. Im Zentrum steht die damals meist negativ besetzte, heute fast schon mythische Figur des „Fräuleins“, das Camel raucht, Nylonstrümpfe trägt, eine Lockenmähne und getuschte Wimpern hat, englisch spricht und stets in der Nähe von Besatzungssoldaten zu finden ist. Die Flakhelferin Martina erlebt im Krieg die völlige Entwurzelung und landet nach Kriegsende auf dem Strich, wird später vor ein Jugendgericht gestellt und in eine Fürsorgeanstalt eingewiesen. Auch nach ihrer Entlassung gerät sie wieder unter Zuhälter, Schwarzmarkthändler und Ganoven. Erst spät findet sie Hilfe bei ihrer Schwester, einer Ärztin. Am Anfang der Heilung steht die Psychoanalyse, die Aufarbeitung der Vergangenheit und die Suche nach der Ursache von Martinas Trauma.
Produziert von Heinz Rühmanns kurzlebiger Comedia-Filmgesellschaft, ist MARTINA ein spannendes Zeitdokument, gerade auch in seinem Schwanken zwischen Sozialkritik und Sozialromantik. „Warum greift der Film nicht öfter nach den Stoffen, die heute mehr als je buchstäblich auf der Straße liegen? Daß es durchaus kein finanzielles Risiko zu sein braucht, beweist der neue Comedia-Film MARTINA (…). Arthur Maria Rabenalt, der Regisseur, nahm sich hier ein Thema vor, das sonst in der Regel mit dem allzu einfachen Sammelbegriff ‚Verwahrloste Jugend‘ oder mit ein paar Schlagworten wie ‚Veronikas’‘ ‚Ami-Mädchen‘, abgetan wird. Der Film gräbt hier tiefer nach den Wurzeln und entrollt (…) ein Lebensschicksal, dem man nicht ohne Ergriffenheit folgt.“ (Nürnberger Nachrichten, 17.8.1949)
Kopie: Bundesarchiv-Filmarchiv
Einführung: Mila Ganeva, die an der Miami University in Oxford, Ohio, Film und Literatur lehrt und gegenwärtig zum frühen Nachkriegsfilm forscht.
Am 4. Juni 2010, 19.00 Uhr, im Zeughauskino