03.06.2005, im Zeughauskino.
Sommer 1918. In Europa herrscht Krieg. Der deutsche Soldat Dr. Alexander Bessel wird von der rumänischen Front an die Westfront verlegt und macht unterwegs einen kurzen Halt in Berlin, um seine junge Frau Helene wiederzusehen. Kurz vor der Weiterreise wird ihm von einer Unbekannten mitgeteilt, dass Helene ihn betrügt. Bessel ist tief gekränkt, doch zu einer Aussprache kommt es nicht mehr. Nach einem Sturmangriff an der Westfront liegt er schwer verwundet im Niemandsland neben einem getöteten Franzosen. Bessel tauscht mit dem Toten die Uniform, wird in einem französischen Lazarett gesund gepflegt und dann als Invalide entlassen. Während er in Deutschland als verschollen gilt, lebt er unter fremdem Namen in Frankreich. Als Bessel die Verlobte des getöteten Franzosen kennenlernt, verliebt er sich in sie, verheimlicht ihr aber aus Angst vor Entdeckung seine wahre Identität…
Was die Beschäftigung mit dem Ersten Weltkrieg und seinen Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Männern und Frauen angeht, ist Doktor Bessels Verwandlung der wohl ungewöhnlichste Spielfilm des Weimarer Kinos. Die elegante Regie von Richard Oswald verzichtet auf das übliche Spektakel der Kriegsfilme und konzentriert sich stattdessen auf das Melodram eines Mannes und dessen psychologische Entwicklung. Der Film erzählt von der Entfremdung der voneinander getrennten Eheleute Bessel und ihren völlig verschiedenen Erfahrungswelten, von dem Wunsch nach einem anderen Leben und der Furcht vor der Wahrheit, von männlicher Eitelkeit und unmöglicher Liebe in Zeiten von Krieg und Haß.
Ergänzend ist ein Fragment des Kriegsfilms Namenlose Helden, dem Regiedebüt von Kurt Bernhardt, zu sehen. Den Zeitgenossen galt dieser Film, der fiktionales und dokumentarisches Material miteinander verknüpft, als ein früher Versuch einer „realistischen“ Darstellung des Krieges an der Front und in der Heimat. Der Film klagt den Krieg aus kommunistischer Sicht an, indem er von einer Arbeiterfamilie erzählt, die durch den Krieg ihr Auskommen, ihre Gesundheit und schließlich ihr Leben verliert. Das Fragment zeigt, wie der einfache Arbeiter Scholz als Soldat bei einem Angriff erblindet und wie seine Familie Hunger leidet. Anlässlich der Aufführung in Berlin warnte der Film-Kurier im Oktober 1925: „Das Werk wird als politisches Propagandamittel gute Erfolge haben. Für den Theaterbesitzer bedeutet es allerdings die Gefahr, politisch anders eingestellte Teile seines Publikums zu verärgern.“
Vorfilm: Namenlose Helden (Fragment) (D 1924, Kurt Bernhardt)
Einführung: Philipp Stiasny
Klavierbegleitung: Peter Gotthardt