03.12.2004, im Zeughauskino.
Nach dem Kahlschlag des 11. Plenum des ZK der SED, nach dem fast eine ganze Jahresstaffel von DEFA-Filmen verboten worden war, kam Lebende Ware als einer der wenigen „übriggebliebenen“ Babelsberger Produktionen 1966 auf die Leinwand. Darin wird ein besonderes Kapitel des Holocaust beleuchtet: Budapest 1944. Kurt Andreas Becher, SS-Obersturmbannführer und Vertreter Heinrich Himmlers in Ungarn, bezieht Quartier in der Budapester Villa des jüdischen Konzernaktionärs Dr. Chorin. Er stellt ihn vor eine teuflische Alternative: Entweder übergibt er ihm „freiwillig“ den Konzern in Treuhand und darf dafür ins Ausland – oder er wird mitsamt seiner Familie ins Vernichtungslager deportiert. Chorin wählt das Leben. Und Becher sieht eine große Chance, sich in hohem Maße persönlich zu bereichern: Er zwingt den Leiter der zionistischen Bewegung Ungarns, ihm bei weiteren „Tauschgeschäften“ – Vermögen gegen Leben – zu Diensten zu sein. Das dabei erbeutete Geld fließt, ohne dass die SS-Vorgesetzten davon Kenntnis bekommen, auf ein privates Schweizer Konto und ermöglicht Becher nach dem Zweiten Weltkrieg, in der Bundesrepublik, eine Karriere als Geschäftsmann.
Maßgeblich am Drehbuch beteiligt war der juristische Beobachter der DDR beim Eichmann-Prozess, der Ost-Berliner Staranwalt Friedrich Karl Kaul. Er gestaltete den „Fall Becher“ nach authentischen Ereignissen. Als der Film im September 1966 in der DDR uraufgeführt wurde, lebte Becher mit einem geschätzten Vermögen von 150 Millionen D-Mark unbehelligt als Getreidehändler in Bremen.
Einführung: Ralf Schenk