Das Filmprogramm behandelt einen Zeitraum, in dem sich das Medium Fotografie als Allgemeingut in der bürgerlichen Lebenskultur etablierte. Nach dem Gang zum Fotografen, um ein Porträt aufzunehmen, sollte nun selbst fotografiert oder gefilmt werden. Die Industriealisierung der Kamera- und Filmproduktion in den dreißiger Jahren entspricht nicht nur der Logik einer zunehmenden Hochtechnologisierung der Konsumgüterwirtschaft, sondern ist auch Reflexion auf eine Wohlstandsgesellschaft mit erhöhten Freizeitanteilen. Dass dieser kurzzeitige Wohlstand auf Sand gebaut und von einer menschenverachtenden Ideologie begleitet war, wird in der Reklame natürlich nicht thematisiert. Die Veranstaltung stellt zum einen Werbefilme vor, die die zunehmend preiswerteren und einfacher handhabbaren Fotoapparate potentiellen Käufern nahebringen wollten (RETINA). Andere suchten auf städtische Spezialgeschäfte der Fotobranche aufmerksam zu machen (WÜNSCHE?) oder gaben umfangreiche Gebrauchsinformationen (DIE CONTAX UND IHRE ZUSATZGERÄTE). Und IG Farben/Agfa ließ 1939 zum 50jährigen Firmenjubiläum einen aufwändigen Repräsentationsfilm herstellen, der die Genese der Fotografie als Erfolgsgeschichte der Agfa darstellt (100 JAHRE PHOTOGRAPHIE UND DIE AGFA).
Die Vorführung unterstreicht die Relevanz der Werbung, um kulturgeschichtliche Entwicklungen zu demonstrieren: Um die implizierten (Kauf)Appelle wirksam darzubringen, schlagen die Werbebilder enge Brücken zur Alltagskultur, etwa zu tradierten bürgerlichen Familienstrukturen und zur Konjunktur des Tourismus. Sie versuchen, eventuellen Vorurteilen gegenüber neuen Technologien zu begegnen. Stets werden die angeblich leicht erlernbaren Kamerafunktionen vereinfacht erklärt und die Fotografie als Gewinn für das private Erinnern postuliert, denn: wer fotografiert, hat mehr vom Leben!
Das Programm bietet gleichzeitig Gelegenheit, in die wichtigsten historischen Werbefilmformate einzuführen:
1. kurze, meist aufwendiger produzierte Filmreklamen für Markenartikel, die überregional im Kinovorprogramm eingesetzt wurden,
2. einfach und kostengünstig gestaltete Werbespots für städtische Einzelhändler, die nur in lokalen Aufführungskontexten funktionierten und in der Regel im Werbeblock kleinerer Kinos zur Aufführung kamen,
3. längere Gebrauchsanweisungsfilme für betriebsinterne Vorführungen, Messen, und halböffentliche Darbietungen,
4. meist abendfüllende repräsentative Kulturwerbefilme für Sonderveranstaltungen, die die vorgestellte Firma oder Marke im kulturellen Gesamtzusammenhang darstellten.
Einführung: Ralf Forster
DER TRIUMPH DER KLEINBILDKAMERA (D 1931)
RETINA (D 1935)
ACH HÄTT‘ ICH DOCH… (D 1936)
DIE CONTAX UND IHRE ZUSATZGERÄTE (D 1934)
WERBESPOTS DRESDNER GESCHÄFTER (AvT) (D 1936-39), mit:
– DER BETRIEB DER PRAGER STRAßE … (D 1936)
– FOTO-GÖRNER (AvT)
– NUR EINE SORGFÄLTIGE BEARBEITUNG … (D 1939)
– ALLES WAS DER TAG DIR SCHENKT (D 1938)
– WÜNSCHE? (D 1934)
– FROHE KINDHEIT! (D 1938)
– BITTE RECHT FREUNDLICH! (D 1939)
100 JAHRE PHOTOGRAPHIE UND DIE AGFA (D 1939)
Kopien: Bundesarchiv-Filmarchiv
26. September 2003, Arsenal 2